Folge 3 Fontane-Reiseimpressionen:
Trotz der vielen Widrigkeiten bei Fontanes erster Italienfahrt 1874, siehe Folge 2, unternahm er gleich im nächsten Jahr eine neue Italienreise, diesmal wesentlich kürzer, nur nach Oberitalien, und ohne Emilie – die offenbar den Heimaturlaub in Berlin höher schätzte als neue italienische Abenteuer womöglich wieder mit „Höllennächten“, Unpässlichkeiten und Missstimmungen ihres Theos. Von dieser zweiten Reise hier eine schöne Impression aus Fontanes Feder, die das Reisen in der alten Zeit vor uns auferstehen lässt. Geschildert ist die Überquerung des Alpenhauptkamms per Kutschfahrt über den San Bernardino (Auszug aus
aus dem Buch „Bella Italia – Auf Grand Tour mit großen Italienreisenden“, Werner Huber, Kröner Verlag, https://www.kroener-verlag.de/huber-werner/ .)
Um 5 Uhr früh hatte ich Chur im Eilwagen verlassen – der Beginn der 16-stündigen Fahrt hinüber nach Bellinzona. Es ging rheinaufwärts, nach drei Stunden war Thusis erreicht: Pferdewechsel. Dann mit fünf vorgespannten Pferden durch die berüchtigte Via Mala, einen beklemmend engen, vom Rhein durchtosten Schacht zwischen furchterregenden Bergwänden. Um 1 Uhr in Splügen: ein ganz gutes Diner. Um 2 Uhr weiter. In Serpentinen den kahlen Bernardino hinauf. Oben, auf gut zweitausend Metern Höhe, wieder Pferdewechsel. Die neuen Kutschgäule waren ein paar Stunden davor von der Südseite heraufgekeucht. Auch zu fünft. Abwärts aber braucht man nur vier. Bloß – das fünfte musste auch wieder zurück …
Wie geschah das nun? Auf die einfachste Weise von der Welt. Schon mochten wir eine Meile oder mehr bergab sein, als ich plötzlich dank der Serpentine eines Pferdes ansichtig wurde, das, während es uns in Wahrheit auf fünfzig Schritt f o l g t e, an jeder Biegungsstelle nicht h i n t e r, sondern n e b e n uns war. Dann und wann, wenn nur ein einfaches Wiesenstück den Raum zwischen der Serpentine füllte, sparte sich das Tier die überflüssige Wegstrecke, durchschnitt geschickt den grünen Streifen und lief nun gerade auf unser Seitenfenster zu. Hineinkuckend begrüßte es uns durch das Schellenklingeln seines Geschirrs und nahm dann wieder die Queue, in pflichtschuldigem Abstand dem Wagen folgend.
Fast stimmt es sentimental, dieses Memento auf die Zeit, als Pferde noch treue Helfer des Menschen waren …