Fontane-Jahr 2019: Ein Preuße in „Italia“ (4)

Folge 4 und Abschluss:

Nach zwei aufeinanderfolgenden Italienfahrten 1874 und 1875, zusammen immerhin rund zwei Monate lang und bis nach Neapel und Sorrent hinabreichend, interessiert uns noch Fontanes Meinung zu dem von Deutschland so verschiedenen Land im Süden. Antwort: Es gibt ganz gegensätzliche Meinungsäußerungen, je nachdem aus welcher Zeit und welchen Umständen sie stammen.

Sein schon in Folge 2 geschildertes Verdikt über die Italiener – Ein völliges Bummelvolk. Ich komme preußischer zurück denn je – entstammt den Unleidlichkeiten während der ersten Reise. Immerhin kam er danach zu einem deutlich positiveren Fazit: So schön und herrlich Italien ist, so ist es mir doch unzweifelhaft, daß es … noch zu etwas Herrlicherem hinaufgeschraubt worden ist, als nöthig war. Und die zweite Reise durch Oberitalien bis nach Genua bewegt den sonst so nüchternen Preußen geradezu zu einer Hommage an die Italiener – von der er ein bisschen was für sich selbst abzwackt: Wirklich ein Kulturvolk … Wie ungermanisch bin ich doch! Alle Augenblick (aber ganz im Ernst) empfind ich meine romanische Abstammung. Und ich bin stolz darauf. Vielleicht war es die Assoziation mit den bis ins Oberitalienische hinein geflüchteten französichen Hugenotten – Fontanes Vorfahren waren nach Preußen geflüchtete Hugenotten – die ihn zu dieser Einschätzung brachte.

Freilich gab es später noch mal einen Meinungs-Salto Mortale. Dazu eine Passage aus „Bella Italia – Auf Grand Tour mit großen Italienreisenden“ (Werner Huber, Kröner Verlag Stuttgart): Ich bin Nordlandmensch, und Italien kann, für m i c h, nicht dagegen an. So der alte Fontane. Der auch noch mit einem Gedicht Partei ergriff für den wortgewaltigen Kritiker der Italienschwärmerei namens Gustav Nicolai:
Italien, … das Auge wird mir hell …
Bellini, Giorgione, Raffael,
Aber wenn ich durch schreckensvolle Nächte
Gekämpft mit dem Heerwurm höllischer Mächte,
Kann ich am Morgen, um anzubeten,
Nicht weihevoll vor die ‚Assunta‘ treten,
Dann schweigen in mir alle höheren Register,
Nicolai werd ich und Urphilister,
Und tiefer als in das Grab des Busento
Versinkt mir das ganze Cinque Cento.

Italien wie es wirklich ist heißt Nicolais kritisches Reisebuch von 1834, und im Untertitel: Bericht über eine merkwürdige Reise in den hesperischen Gefilden, als Warnungsstimme für Alle, welche sich dahin sehnen.
Die Passage, die Nicolai schrieb, bevor er die damals noch malaria- und räuberverseuchten Pontinischen Sümpfe durchfuhr, zeigt endgültig den Nicolai`schen Tenor: Welch ein Jammerland ist dies Italien! Bis jetzt haben wir fast nur reizlose, öde Felder, Wüsten, Kloaken, Ruinen und schmutzige Höhlen gesehen, und jetzt sollen wir einen Landstrich durcheilen, in welchem der Pesthauch der Vernichtung weht und das Mordmesser des Räubers blinkt. Mein theures, zurückgesetztes deutsches Vaterland, wie bist du so schön, so reizend, so gesund!

Die Wendung des alten, schon recht maladen Fontane hin zu Nicolai wird verständlicher im Licht von Emilies Notizen [seiner Frau und Begleiterin auf der ersten Reise] über zwei aufeinanderfolgende Rom-Nächte: Höllennächte durchlebt … 
Aber hier brechen wir ab, denn der Rest der Höllennächte ist in Folge 2 geschildert.



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