„Sie [die Ungarn] haben mein Reich verödet, mein Volk gefangen oder getötet, die Städte zerstört, die Kirchen verbrannt, die Priester gewürgt. Noch triefen vom Blut die Gassen.“ So im Dezember 954 Otto I., der damals 42-jährige deutsche König und spätere deutsch-römische Kaiser, in einer Phase erneuter verheerender Ungarneinfälle. Schon seit einem halben Jahrhundert waren sie eine Geißel Europas, verwüsteten und brandschatzten die Länder bis nach Italien und Spanien, besonders aber Deutschland: Steter Aderlass und stete Angst zehrten an den Menschen, beschwerten ihre ohnehin armselige Existenz wie eine Grabplatte.
Als Otto, der Sachse aus Magdeburg, die Worte sprach, war er dreifach herausgefordert: Slawenkrieg, interne Rivalitätskämpfe mit ehrgeizigen Reichsadeligen und zum Dritten die Vorzeichen für einen neuen großen Verwüstungszug der Magyaren. Er trifft die Vorbereitungen dafür: beendet mit aller Macht die internen Kämpfe, schwört die Großen des Reichs zum Abwehrkampf ein. Juli 955: Meldereiter jagen vor den Magdeburger Königshof: Die Ungarn haben die Reichsgrenze überschritten, in nie dagewesener Zahl verwüsten sie Bayern. Otto zieht mit einem Teil seines Sachsenheeres – der andere Teil bleibt zur Slawenabwehr – gegen Ulm, dem Sammelpunkt der Stammesheere.
Die Ungarn, 15 000 Reiter vermutet man, belagern indes Augsburg. Die Augsburger, mit dem Mut der Verzweiflung, verteidigen sich wacker, riskieren todesverachtende Ausfälle, nachts ziehen Kirchenleute, Frauen und Kinder in Bittprozessionen durch die Straßen, flehen Gott an um ein gnädiges Schicksal. Da brechen die Ungarn plötzlich die Belagerung ab, ziehen davon. Bischof Ulrich dankt mit den Gläubigen Gott für sein huldvolles Eingreifen.
Die Ungarn hatten vom Anrücken des Reichsheeres erfahren, des „ersten gesamtdeutschen Aufgebots“: neben Ottos Rittern die der Bayern, Franken, Schwaben und Böhmen – um die 10 000 Mann meint man, mehr war nicht aufzutreiben gewesen.
Den Ungarn gelingt die Umgehung des Heeres und ein Überraschungsangriff auf die Nachhut, Pfeilhagel prasselt auf die Böhmen herab, zersprengt und dezimiert sie, die Ungarn beginnen den Heerzug von hinten aufzurollen, Panik bricht aus: den Deutschen droht der Untergang. Konrad der Rote, Schwiegersohn Ottos, reißt Sachsen und Franken mit sich – gegen die Ungarn: Panzerreiter gallopieren ihnen in die Flanke, reiten und machen sie nieder – unter schweren eigenen Verlusten, Konrad trifft ein Pfeil in den Hals.
Bald ist das Lechfeld ein in der Hitze dampfender Blutsumpf von Ungarn und Deutschen. Otto lässt die flüchtenden Magyaren verfolgen, alle werden sie niedergemacht, die letzten versprengten Haufen von Bauern erstochen und erschlagen – wie auch Skelettfunde belegen. Keiner der Angreifer kehrt in die Puszta zurück. Für die Ungarn die Cäsur, die sie vom marodierenden Reitervolk zur sesshaften und bald christianisierten Bauernnation macht. Deutschland und Europa durften aufatmen, und seine Menschen und Zivilisation sich endlich entfalten. Den Deutschen war es die erste einigende Erfahrung eines gemeinsamen Nationalschicksals über die Stämme hinweg.
Otto I. galt ab da als Otto der Große, schon zu Lebzeiten, und für immer in der Geschichte des Abendlands.